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Photoshop Kid

photoshop-zeichnung

Kinder unserer Zeit sind Digital Natives. Und als solche sind sie von Geburt an umgeben von allerlei Gadgets wie iPhones, iPads, Laptops, PCs und dergleichen. Digital ist überall. Die nächste Generation bedient Mobiltelefone (und läßt sie fallen), schon lange bevor ein erstes halbwegs verständliches Wort über die Lippen kommt. Sie blättert gekonnt in Telefonkontakten, schießt Selfies und switcht zielsicher zwischen Apps als hätte sie nie etwas anderes getan.

Meine kleine Nichte ist nicht nur Teil dieser beschriebenen Generation Z, sie ist eine ziemlich typische Vertreterin, wie ich finde. Immerhin zählte das Wort „Apple“ zu den ersten 10 Wörtern ihres Wortschatzes, gleich hinter „Mama“. Mit gerade einmal sechs Jahren hat sie mir kürzlich gezeigt, wie elegant man bei youtube Filme vom Bildschirm wischen kann, wenn diese nicht mehr benötigt werden. Ich nutze youtube viel und gerne, doch das wußte ich noch nicht.

Solange ich noch einen Vorsprung habe, versuche ich regelmäßig, dem immensen digitalen Wissensdurst und Kreativität meiner Nichte Nahrung zu geben. Im meinem Fall Nahrung in Form von Photoshop. Es gibt also noch Anwendungen, worin ich ihr etwas beibringen kann. Obwohl Photoshop ein recht umfangreiches Programm ist, dürfte mein Vorsprung nicht allzu lange anhalten. Wann immer also Zeit für eine kleine Photoshop-Lektion ist, setzen wir uns hin. Ich erkläre ihr dann, wie man eine Datei anlegt, wofür die Werkzeuge auf der linken Seite gedacht sind und wie Ebenen funktionieren. Dabei lassen wir Farbmanagement und Luminanzmasken vorerst außen vor.

Photoshop ist eigentlich ein Bildbearbeitungsprogramm, nur scheint das meine Nichte nicht so eng zu sehen. Denn mit Bildbearbeitung hat sie derzeit nichts am Hut, außer es ist hinreichend konkret, will heissen: ein Bild von ihr selbst. Digitales Schminken oder ein Wechsel der Augenfarbe verfolgt sie jeweils begeistert, auch eine neue Frisur findet sie lustig und interessant. Den Sinn einer Hautretusche hingegen, und sei es auch nur das Entfernen eines ganz kleinen Muttermals an ihrem Hals, hat sie überraschenderweise nicht verstanden. Ich hab‘ ich ihr die Notwendigkeit auch nicht plausibel erklären können. „Warum machst du das weg?“, fragte sie. „ich finde das schööön“, waren ihre weiteren Worte. Ich war geschlagen.

Wann bin ich zum letzten Mal in ein solch‘ tiefes Fettnäpfchen getreten? Ich mußte das Muttermal wieder herstellen und habe dazu ein möglichst unbekümmertes Gesicht gemacht. In diesem Moment wurde mir aber bewußt, meine kleine große Nichte, sooft wir uns die Liebe zu Photoshop teilen, noch in einer völlig anderen Welt lebt, einer Welt, in der alles so richtig ist, wie es ist. Es gibt keinen Krieg, keine Flüchtlinge, da wird nur auf-, nicht be- und abgewertet, nichts verändert. Die Dinge sind authentisch und das ist gut so. Alles andere kommt noch früh genug. Insofern hat mir meine Nichte völlig unbewusst eine kleine Lektion erteilt und mich zum Nachdenken gebracht.

Schließlich haben wir die Retusche beendet und ein weiße Arbeitsfläche geöffnet. Sie hat keck den Pinsel aktiviert und eine möglichst knallige lila Farbe ausgewählt. Dann hat sie mit einem Lachen gemalt und gemalt und gemalt. Sie liebt die Vorstellung, daß man mit einem einzigen (Wacom) Stift alle Farben, Stärken und Formen einstellen kann. Ausserdem gefällt ihr besonders die Befehl-rückgängig-Taste, weil die so herrlich die Pinselstriche wieder entfernt. Einfach so, als wären sie nie dagewesen. Die Welt war wieder in Ordnung.

Als ich meine Nichte ein paar Tage später das nächste Mal besuchte, war sie ganz aufgeregt. Sie wollte mir einen Umschlag überreichen. Natürlich war ich neugierig, als ich ihn öffnete.

umschlag

Sie war letztes Mal so begeistert von Photoshop, dass sie mir unbedingt eine Zeichnung davon geben wollte. „Das ist Photoshop!“, rief sie mir lachend zu, als ich nicht sofort erkannte, was das Gekritzel darstellt. Kaum hatte ich die Zeichnung eingesteckt, wartete sie schon vor dem Computer. Sie hatte Photoshop ganz alleine gestartet.

Die Zeichnung ist für ein sechsjähriges Kind gut gelungen, wie ich finde. Mit dem Vorbehalt, daß ich vielleicht nicht ganz objektiv bin. Dennoch: es ist alles vorhanden, was das Photoshop-Herz begehrt. Anstelle der Werkzeuge, an deren Details sie sich natürlich nicht erinnern konnte, fügte sie einfach Herzen ein. I love Photoshop!

Es ist schön zu sehen, wie sie es genießt, sich mit Photoshop kreativ auszutoben. Ich denke, sie hat alles, um in naher Zukunft ein richtiges Photoshop Kid zu werden. Sie scheint auch bereits zu ahnen, daß in diesem Programm weit mehr steckt, als sie weiss. In Photoshop steckt tatsächlich mehr, viel mehr als mir selbst zuweilen bewusst ist.

8 Kommentare zu “Photoshop Kid”

  1. Sehr unterhaltsamer Beitrag, wir haben selbst drei Kinder in diesem Alter und können nur zustimmen!

    Beste Grüße aus Berlin
    Elke & Harald

    • Hallo Elke, hallo Harald,

      vielen Dank für euren Kommentar. Alles mal drei, das stell‘ ich mir in der Tat anstrengend vor. Vor allem dabei, wer zuerst darf…

      Viele Grüße
      Manfred

  2. Hoffentlich wird das kleine Mädchen nicht überfordert. Ich meine, Kinder sollten nicht so früh an den Computer.

    • Hallo Mark,

      Solange die Initiative vom Kind aus kommt, sehe ich keine Gefahr. Natürlich sollte man die Aktivitäten von Kindern nicht zu sehr auf den Computer begrenzen, die Kleine hält nebenher auch viele Kontakte mit anderen Kindern und spielt ebenso gerne draußen an der frischen Luft. Also alles im grünen Bereich

      Viele Grüße
      Manfred

  3. Sehr schöne Geschichte Manfred. Ich erkenne mich darin wieder (4 Kinder). Die beiden großen haben mich allerdings längst abgehängt drehen Videos , komponieren Musik und schneiden das Material in kürzester Zeit zusammen. Für die Einstellungen an den Fuji Kameras werde ich allerdings noch gebraucht aber auch das wird weniger. Liebe Grüße Heinz-Peter.

    • Vielen Dank Heinz-Peter! Die Zeit rennt und unversehens wird man überholt ;). Bei vier Kindern muss das nochmals eine ganz andere Hausnummer sein, das kann ich gut nachvollziehen. An meiner Fuji besteht glücklicherweise (noch) kein Interesse. Das Gerät ist dann für die zukünftige Generation doch einen Ticken zu schwer und zu langsam. Ganz liebe Grüße! Manfred

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