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Das Abfall-Experiment

Ich mag saubere Landschaften, ich mag die Natur. In der Cinque Terre habe ich begonnen, an Fotospots nicht nur Fotos zu schießen sondern auch den Müll anderer Leute einzusammeln und in die Zivilisation zurück zu tragen.

Als ich kürzlich am Bodenseeufer fotografierte, war es wieder so weit. An diesem Tag war ich schon relativ früh auf der Suche nach dem passenden Motiv am Bodensee unterwegs. Dabei fiel mir auf wie viel Abfall am Ufer herumlag. Und das in einem ausgewiesenen Vogelschutzgebiet, welches bevölkert war von Graureihern, Komoranen, Enten und jetzt im Winter auch von zahlreichen Singschwänen. Unvergesslich, diese Tiere aus einiger Entfernung zu beobachten und ihrem Gezwitscher und ihren Gesängen zu lauschen. Erbärmlich hingegen der Dreck im Sand. An der Location selbst musste ich erst eine Flasche und ein paar Kunststoffteile beiseite räumen damit diese im finalen Foto nicht zu sehen waren. Schließlich wollte ich die Natur in ihrer ganzen Schönheit einfangen und Müll gehört nicht ins Bild. Fotografiert habe ich ihn dann trotzdem noch. Die ganze Geschichte dazu weiter unten.

Nachdem ich mein Bild im Kasten hatte entschloss ich mich, anderntags nochmals dasselbe Ufer aufzusuchen und diesen ekligen Müll einzusammeln. Das tat ich dann auch. Innerhalb einer Viertelstunde war die mitgebrachte Tüte bereits so schwer, dass ich sie kaum mehr tragen konnte. Nach einer Stunde schließlich randvoll und noch noch immer entdeckte ich Dinge, die ich hätte mitnehmen wollen. Die Tüte war nun deutlich schwerer als mein Fotorucksack und wer mal einen Blick in meine Technik-Seite geworfen hat, weiß was das bedeutet. Die Tüte war übervoll mit gebrauchten Spritzen, Resten von Feuerwerkskörpern, Grabkerzen, Teilen von Schuhen, Medikamentendosen, ausgedrückten Tuben, Plastikflaschen und sogar einem Schlauch, einen Wecker, Tennisball und vielerlei Kleinzeugs das ich nicht zuordnen konnte, da bereits verwittert. Eine Glasflasche erregte meine tiefere Aufmerksamkeit. Sie war schon relativ blind und mit einem Schraubdeckel verschlossen aber irgendetwas lag darin. Als ich sie vorsichtig öffnete, entdeckte ich ein gerolltes Stück Papier, welches von einer roten Schleife zusammen gehalten wurde. Ich hatte eine Flaschenpost gefunden! Wer kann das schon von sich behaupten? Zwei Schulmädchen hatten die Flaschenpost etwa einen Monat zuvor dem Bodensee übergeben in der Hoffnung auf Antwort (die mittlerweile zu ihnen unterwegs ist). Auch wenn sie damit ungewollt zu meinen Müllberg beigetragen haben kann ich es ihnen nicht übel nehmen. Es gibt deutlich schlechtere Gründe etwas in den schönen Bodensee zu schmeißen. Und darüber hinaus besteht doch noch Hoffnung, dass es in unserer Zeit noch junge Menschen gibt, die neben WhatsApp und Snapchat auch weiterhin an analoge Kommunikationsmittel glauben. Danke Mädels, wenn Ihr das hier lest, Ihr habt mir den Tag gerettet!

Zurück in die harte Welt des Abfalls: nun hatte ich die schwere Mülltüte über den ganzen Strand bis zu meinem Auto getragen und meine Finger schmerzten schon. Ich hätte die Tüte jetzt einfach auf dem Parkplatz hinstellen können, aber der Parkplatz konnte nichts dafür und ich wollte den Inhalt erst für diesen Beitrag dokumentieren und dann gesetzeskonform entsorgen. Die Abfallbehälter in der Bodenseeregion stellten sich mit ihren winzigen Öffnungen als äußerst robustes Hindernis heraus. Eine freundliche Nachfrage bei verschiedenen Supermärkten blieb ebenfalls erfolglos. Keiner wollte dem Müll einen neue Heimat geben, obwohl Supermärkte ja riesige Abfalltonnen rumstehen haben. Da half es auch wenig, dass ich erklärte, welche gemeinnützige Arbeitsleistung ich bereits hinter mir hatte und es sich ja eigentlich nicht um meinen Müll handelt. Die Polizei schließlich nannte mir die Adresse der Konstanzer Altstoff-Entsorgungsstelle auf der anderen Seite der Stadt, ich müsse dort aber, falls die überhaupt geöffnet haben, den Abfall fein säuberlich sortieren und gebührenpflichtig entsorgen. Das war mir dann doch etwas zu viel verlangt und ich hätte nicht gedacht, dass ich einzig durch das Aufsammeln offiziell Eigentümer dieser Abfalltüte mit allen Rechten und Pflichten geworden bin.

Am Ende wurde ich die Tüte dann doch noch los – in einem Müllsammelcontainer einer großen Siedlung. Trotz aller Anstrengungen und Hürden: ich empfehle jeder und jedem Landschaftsfotografen, mein Abfall-Experiment nachzumachen. Schon allein die Chance, einmal im Leben Finder einer Flaschenpost zu werden lohnt sich. Und falls einem da kein Glück beschieden ist, die Vögel und Fische unserer belasteten Seen werden es einem danken und das ist eigentlich die schönste Entschädigung, die man sich nur wünschen kann.

8 Kommentare zu “Das Abfall-Experiment”

  1. Lieber Manfred, ein gedankliches ,,Du auch,, begleitete mein Lesen deiner Story. Ich mach‘ dies seit x Jahren. Sei dies in den Bergen, Wald oder am Fluss der Aare und Limmat.
    Die grösseren Dinge wie Fernseher, Töfflis, Kinderwagen, Stühle, Velos usw. lassen wir jeweils an einem für die Gemeindearbeiter gut erreichbaren Sammelpunkt stehen. Die Kleineren nehmen wir mit und entsorgen es korrekt.

    Wenn jeder, ob Fotograf oder Wanderer immer eine Tüte mitnehmen täte, um diese zu füllen, käme vielleicht sogar eine Bewegung zustande. Wer weiss. Die Zeit dazu könnte evtl. gut sein.
    Lg
    Ursula

    • Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, liebe Ursula!

      Schön zu lesen, dass auch andere Naturliebhaber mit anpacken. Ich hätte nie gedacht, dass sich in so kurzer Zeit eine derart große Menge Abfall ansammelt. Glücklicherweise waren die Wege kurz, ich hätte sonst kapitulieren müssen. Den Gedanken einer Bewegung find ich gut auch wenn mein Blogbeitrag nicht die Macht hat, ein solche zu starten. Die Zeit wäre allerdings schon lange reif. Danke dir für all deinen aufgesammelten Müll! Chapeau!

      Liebe Grüße
      Manfred

  2. Hallo Manfred,

    so schön die Geschichte so erschreckend das Verhalten der Menschheit dahinter. Ich darf Dir mitteilen das Du eine Kollegin hast. Jette übt sich ebenfalls in diesem Nebenjob und trägt regelmäßig aus dem Wald allerlei von Menschenhand gemachten Unrat. Gelegentlich taugt das sogar zum Taschengeld aufbessern. Unbegreiflich was die Leute so alles fallen lassen ohne sich auch nur einen Gedanken darüber zu machen.

    beste Grüße
    Dirk

    • Mein lieber Dirk!

      Vielen Dank für deine Worte! Bin begeistert zu hören, dass ich mit der Jette eine stille Mitstreiterin habe (y). Ich denke viele Leute arbeiten im Stillen daran mit und ich hätte nie einen Blogbeitrag darüber geschrieben, wäre nicht diese Riesenmenge in der Tüte gelandet. Nächstes Mal werde ich auf jeden Fall eine stärkere Tüte und ein Paar Handschuhe mit einpacken, denn es war vor allem bei den Spritzen und den gammligen Schuhen nicht sehr appetitlich, diese anzufassen. Es war ja 3x nötig: 1x beim Aufsammeln, 1x beim Auslegen fürs Foto und ein letztes Mal beim finalen Einpacken. Was ein Graus! Es hat mir einiges abverlangt, das bis zum Ende durchzuziehen und ich war knapp davor aufzugeben, nachdem ich die Tüte eine Stunde lang nach Konstanz gefahren hatte. Das war vielleicht übel. Ich habe die Sache aber zu Ende gebracht, inkl. Blogbeitrag

      Liebe Grüße
      Manfred

  3. Ich finde das großartig Manfred. Nächstes Mal darfst du die Tüte gerne bei uns vorbeibringen Manfred! Das Problem mit den Mülleimern in Konstanz kenne ich nämlich nur zu gut…

    Vor zwei Jahren hab ich mir mal in Bezug auf den Müll überlegt, meine Landschaftsfotos nicht mehr ‚aufzuräumen‘ und dadurch den Müll zu thematisieren. Vielleicht muss ich den Gedanken wieder aufnehmen…

    • Wenn ich das gewusst hätte… Vielen Dank für die Anteilnahme, lieber Manuel! Ich habe auf mein Müllprojekt überraschend viele positive Rückmeldungen erhalten und das hat mich sehr gefreut. Wie ich sehe, gibt es zahlreiche Leute, die sich mit dem Thema beschäftigen und es sind alles Menschen, die gebildet sind und sich gerne in der Natur aufhalten. Dennoch bin ich etwas desillusioniert. Im April habe ich wieder in Japan fotografiert und mich auch an abgelegenen Stränden z.B. auf den Oki-Inseln aufgehalten. Die Küsten Japans sind derart verschmutzt, dagegen ist der Bodensee als Binnengewässer ein Ponyhof. Die Verunreinigung übertrifft alles, was ich bisher gesehen habe. Während wir in Mitteleuropa unseren Abfall sauber trennen und Bio Eier essen, kippen die meisten Zweit- und Drittweltstaaten ihren Müll wohl einfach weiterhin ins Meer. Die haben ja andere Probleme. Ich weiß nicht, ob mein Aufwand überhaupt was gebracht hat und trotzdem mach‘ ich weiter. Klar muss man klein anfangen, aber wenn man vorne eine Petflasche einsammelt, wird dort wo niemand hinschaut ein Container mit Atommüll im Meer verklappt. Das ist doch unglaublich frustrierend.

      • Sicher bringt das was, jedes Plastikkrümelchen oder Glasscherbchen, das du am See sammelst, lässt mich entspannter barfuß in den See spazieren! und ja, das ist natürlich meckern auf ganz hohem Niveau. Der Bodensee ist so sauber, dass sich andere (Fischer) schon wieder beschweren. Der Müll, den wir finden, gehört trotzdem nicht da hin.

        Was Dir in Japan widerfahren ist, hab ich in Russland erlebt. Aber man kann ja auch dort Müll sammeln und findet einige lokale Initiativen, die sich auch darum kümmern.

        • Für Dich werde ich also weitersammeln :). Ich habe das gelesen mit der Sauberkeit des Bodensees: das Phosphat wird langsam knapp ;). Auch in Japan gibt es Bestrebungen, die Küsten sauber zu halten. Allerdings eben nur an den einfach zugänglichen Stellen, wo „normale“ Touristen hinkommen. Aber gerade da will ich nicht hin.

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